1971

Die politischen Aktivitäten brachten mir ernste Probleme in der Schule ein, besonders nachdem meine Eltern von Frankfurt nach Darmstadt umgezogen waren. Der Umzug war für mich ein Kulturschock, denn von einer Gesamtschule, an der fast alle Lehrer weit links orientiert waren, kam ich auf ein normales Gymnasium. Ich meldete mich nach zwei Tagen wieder ab und versuchte es bei der Georg-Büchner-Schule in Darmstadt, Georg Büchner, das klang doch nach Revolte und deshalb sympathischer. Ich gründete dort gleich eine Zweigstelle der ROTEN ZELLE und fing an, meine Zeitung ROTES BANNER zu verteilen. In der Zeitung gab es natürlich auch sehr kritische Artikel über konservative Lehrer. Der Schuldirektor stellte mich vor die Alternative, entweder die Zeitung nicht mehr zu verteilen oder die Schule zu verlassen. Ich machte weiter und musste die Schule verlassen. An der Viktoria-Schule, die ich dann besuchte, ging es kaum besser. Das zeigt mein Zeugnis aus der achten Klasse. Ich hatte in „Betragen“ eine fünf. Die Notenskala für das „Betragen“ reichte von 1 bis 5. Die Mädchen hatten meist eine 1, die Jungen eine 2. War jemand besonders aufmüpfig, gab es auch einmal eine 3, – aber ich hatte als einziger eine 5. Und es wurden mehrere sogenannte „Klassenkonferenzen“ gegen mich veranstaltet, verbunden mit der Drohung, ich würde auch von dieser Schule fliegen. Ich hatte allerdings Glück, denn die Direktorin der Schule war für linke Gedanken offen und hatte Sympathien für mich. Auch unter den Lehrern gab es ein paar Sympathisanten.
Meine Leistungen in der Schule waren in der 8. Klasse gar nicht gut, wie man auf dem Zeugnis sieht. Ich hatte andere Interessen als die Schule, verbrachte die Freizeit ausschließlich mit Sitzungen bei der KPD/ML, mit dem Verfassen von Flugblättern und Ähnlichem. Für die Schule war keine Zeit. Warum auch? Mein Ziel stand fest: Ich wollte Berufsrevolutionär werden, wie Lenin.
In der 10. und 11. Klasse besserten sich meine Leistungen dann allerdings. Ich tat mehr für die Schule und hatte in fast allen Fächern eine 1 oder eine 2 und war damit einer der besten Schüler der Schule. Meine Leistungskurse waren Mathematik und Biologie, mein Wahlpflichtfach Physik. Natürlich hatte ich auch in Sozialkunde immer eine 1, denn ich wusste oft mehr als die Lehrer. Manche Deutsch- oder Sozialkundestunde bestand nur aus kontroversen Zwiegesprächen zwischen mir und dem Lehrer.

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